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1. Akt / 1. Szene
Gundula (Gundula sitzt im Bademantel und unfrisiert am Tisch und telefoniert.)
Ich habe die halbe Nacht lang kein Auge zugemacht. (Gundula gähnt ungeniert.) – – – Vielleicht hast du recht. So alt bin ich wirklich noch nicht. – – – Das kann ich nicht. – – – Eine Lektion erteilen? Wie meinst du das? – – – Bernd mit seinen eigenen Waffen schlagen? – – – Das könnte wirklich funktionieren. – – – Du, ich muss Schluss machen. Mein Hypochonder steht bestimmt bald auf und will frühstücken. – – – Tschö mit Ö!
Gundula drückt das Gespräch weg, gähnt erneut.
Abgang Gundula.
1. Akt / 2. Szene
Auftritt Bernd.
Er schlurft zum Tisch, setzt sich und nimmt die Tageszeitung auseinander. Während er liest, greift er sich immer wieder an den Hals, als bekäme er keine Luft. Er tupft sich die Stirn ab, fühlt seinen Puls und versucht, sich durch tiefes Ein- und Ausatmen zu entspannen.
Bernd
Yoga. Ob ich es einmal mit Yoga zur Entspannung probiere? (Bernd nimmt sein Handy, tippt darauf herum und sucht offensichtlich etwas.) Kamel? Heraufschauender Hund? Mein Gott, ich will Yoga machen und nicht in den Zoo gehen! Baum? Baum. Das sieht leicht aus. Schließlich will ich mir ja nicht die Wirbelsäule brechen. (Bernd legt das Handy so zurecht, dass er das Display gut sehen kann. Dann stellt er sich in die Mitte des Raumes, streckt die Arme seitlich aus, heben den linken Fuß und versucht, die Fußsohle auf die Oberschenkelinnenseite des rechten Beines zu legen. Als ihm das nicht ohne Schwierigkeiten gelingt, stützt er sich ab. Er schließt die Augen und atmet konzentriert und vor allem laut ein und aus.)
1. Akt / 3. Szene
Auftritt Gundula.
Sie ist sehr altmodisch angezogen (z. B. Frisur, Brille etc.). Wichtig ist, dass die Veränderung Gundulas vom derzeitigen Mauerblümchen zur später modernen Frau eindeutig zu erkennen ist.
Gundula
Guten Morgen!
Bernd antwortet nicht und konzentriert sich auf seine Atmung.
Gundula
Guten Morgen! Was machst du da?
Bernd
Yoga.
Gundula
Yoga?
Bernd
Yoga.
Gundula
Interessant. Für mich siehst du eher aus wie ein sterbender Schwan.
Bernd beendet seine Übung und setzt sich an den Tisch.
Bernd
Meine Gesundheit ist mir eben sehr wichtig. (Bernd tupft sich die Stirn ab und atmet schwer.)
Gundula
Hast du dich beim Verrenken übernommen oder bist du wirklich krank? Ach nein, du kannst ja gar nicht krank sein. Schließlich tust du alles für deine Gesundheit.
Bernd
Deshalb kann ich trotzdem krank sein. Aber das interessiert dich ja sowieso nicht.
Gundula (Gundula holt tief Luft und verdreht die Augen.)
Bist du krank?
Bernd (Bernd äfft Gundula nach.)
Bist du krank? Bist du krank? Wie herzlos du das schon wieder fragst!
Gundula
Herzlos? Ich habe dich lediglich gefragt, ob du krank bist. Was ist daran herzlos?
Bernd
Dein Tonfall. So… kalt. Uninteressiert.
Gundula
Oh je! (Gundula holt tief Luft und fragt übertrieben höflich.) Mein lieber Bernd, ich sorge mich um dein Wohlbefinden. Geht es dir gut?
Bernd
Nein. Ich bin krank. Glaube ich jedenfalls.
Gundula
Glauben ist nicht wissen.
Bernd
Aber es steht sogar in der Zeitung.
Gundula
Dass du, Bernd Rosenkötter, krank bist?
Bernd
Na ja, nicht so direkt. Aber im Wetter-Horoskop steht, dass heute besonders einfühlsame Menschen unter Verstimmungen leiden.
Gundula
Magenverstimmungen oder was? (Gundula wird energisch.) Bernd, du warst erst letzte Woche beim Arzt, und er hat bei dir nicht das kleinste Wehwehchen gefunden.
Bernd
Das war letzte Woche! Hast du eigentlich eine Vorstellung, was in dieser Zeit alles passieren kann?
Gundula
Möchtest du ein Ei?
Bernd
Ja. und Nein. Oder willst du mich umbringen? Du weißt genau, dass mein Cholesterinspiegel…
Gundula (Gundula fällt Bernd ins Wort.)
Ja, ja, dein Cholesterin, deine Galle, deine Plattfüße, dein Haarausfall… Gibt es eigentlich etwas, dass du nicht hast?
Bernd
Eine Ehefrau, die sich um mich sorgt.
Gundula
Sorgst du dich denn um mich?
Bernd
Warum sollte ich? Dir fehlt doch nichts.
Gundula
Doch. Ein aufmerksamer, liebevoller Ehemann.
Bernd
Ich bin immer aufmerksam.
Gundula
Ja. Aufmerksam, ob du irgendwo in dir oder an dir ein neues Zipperlein entdeckst.
Bernd
Das ist nicht wahr!
Gundula
Ist es doch! Du suchst so lange im Internet und in Zeitungen nach einer Krankheit, die dir gefällt und die du dann plötzlich hast.
Bernd
Das stimmt nicht. Den Bericht über den Bandscheibenvorfall fand ich sehr interessant, aber hast du mich schon einmal über Rückenschmerzen klagen gehört?
Gundula
Dafür scheinst du neuerdings an Wahnvorstellungen zu leiden! Oder wie sonst erklärst du deine Selbstgespräche?
Bernd
Das sind keine Selbstgespräche, das ist Kommunikation mit meinem Ich. Dazu hat mir mein Therapeut geraten.
Gundula
Seit wann gehst du zu einem Therapeuten?
Bernd
Seit ich das Bedürfnis habe, mich ab und zu mit einem Menschen vernünftig zu unterhalten.
Gundula
Du machst mich noch wahnsinnig! Du bist nicht krank, du brauchst keinen Arzt und schon gar keinen Therapeuten.
Bernd
Kannst du mir verraten, warum du heute noch schlechtere Laune als sonst hast?
Gundula (Gundula hantiert am Toaster herum.)
Ich bin zu Hause. Mit dir. Genügt dir diese Antwort?
Bernd
Vielleicht lässt du mich heute einfach mal in Ruhe! Ich habe kaum ein Auge zugemacht. Diese Schlaflosigkeit macht mich irgendwann noch wahnsinnig. In meinem Horoskop steht, dass Stiere heute besonders auf ihre Gesundheit achten sollen.
Gundula
Du bist kein Stier. Du bist Wassermann, Aszendent Jammerlappen.
Bernd
Und wenn schon! (Bernd hält anklagend die Zeitung hoch.) Hier steht es schwarz auf weiß, dass es zu Störungen im Kreislauf durch erhöhten Blutdruck kommen kann.
Gundula
Den habe ich sofort, wenn ich dich nur ansehe.
Bernd
Du bist wirklich gefühllos!
Gundula
Vor allem bin ich müde, denn auch ich habe fast die ganze Nacht nicht geschlafen. Du hast dich angehört wie ein Sägewerk im Hochbetrieb.
Bernd
Woher willst du das wissen? Als mich mein nächtlicher Blasendrang auf die Toilette trieb, war das Bett neben mir leer.
Gundula
Warum wohl?
Bernd
Sag mal, gibt es eigentlich heute noch Frühstück?
Gundula nimmt eine sehr dunkle Scheibe Brot aus dem Toaster und klatscht sie auf Bernd Teller.
Bernd (Bernd nimmt mit spitzen Fingern den Toast und hält ihn hoch.)
Was ist das?
Gundula
Dein Frühstück. (Gundula nimmt den Rest der Tageszeitung und beginnt zu lesen.)
Bernd
Das esse ich nicht.
Gundula
Stell dich nicht so an. Das kann jedem mal passieren, dass der Toast ein bisschen verbrennt.
Bernd
Das kann jedem mal passieren? Das kann jedem mal passieren? (Bernd holt tief Luft.) Meiner Mama ist so etwas noch nie passiert. Nicht mal ein bisschen.
Gundula
Was willst du damit sagen?
Bernd
Dass du nicht kochen kannst. Du lässt sogar Wasser anbrennen. Oder Toast. Unsere Küche ist rausgeworfenes Geld.
Gundula
Das ist unser Bett auch. Heiß wird es darin garantiert nicht.
Bernd
Wie auch, wenn man neben einem Eisblock liegt?
Gundula
Ach, jetzt bin ich auch noch schuld an unserem nicht mehr vorhandenen Liebesleben?
Bernd
Natürlich! Sieh dich doch mal an. Du läufst herum wie eine Vogelscheuche.
Gundula
Vogelscheuchen laufen nicht. Sie stehen!
Bernd
Trotzdem siehst du so aus.
Gundula
Du bist auch nicht der Schönste. Schon lange nicht mehr.
Bernd (Bernd steht auf.)
Meine Güte, deine Laune ist ja heute wirklich unerträglich. (Bernd zieht Gummistiefel an.)
Gundula
Wohin gehst du?
Bernd
In den Wald. Dort habe ich wenigstens meine Ruhe. Weißt du, meinen ersten Urlaubstag habe ich mir ein klein wenig anders vorgestellt.
Gundula
Ich mir meinen auch!
Bernd
Du brauchst heute nicht mehr zu versuchen, etwas Essbares für mich auf den Tisch zu bringen. Ich koche mir später selbst etwas.
Abgang Bernd.
1. Akte / 4. Szene
Gundula (Gundula wirft Bernd den Toast nach.)
Hätte ich damals bloß gehört! Alle hatten mich vor Bernd gewarnt. Carla wollte mich immer mit Klaus-Gerhard zusammenbringen, aber den wollte ich nicht, weil er so viele Pickel hatte. Bernd hatte keine Pickel, dafür aber ein Moped. (Gundula hebt den Toast auf und wirft ihn in den Müll.) Warum nur habe ich meine besten Jahre an diesen Volltrottel verschwendet? (Gundula lässt sich auf das Sofa fallen und heult laut. Als sie sich beruhigt hat, holt sie ihr Handy.) Ich muss mit jemandem darüber reden. (Gundula tippt auf der Tastatur herum.) Besetzt. Typisch! Immer, wenn ich einen Rat brauche, ist besetzt. (Gundula steht auf, holt die Apotheken-Umschau vom Tisch und beginnt zu lesen. Sie legt die aufgeschlagene Zeitung auf das Sofa neben sich und tippt erneut auf der Telefontastatur herum.) Endlich! Ich dachte schon, du hörst heute gar nicht mehr auf zu quatschen! – – – Der macht mich wahnsinnig! Jeden Tag mindestens ein neues Zipperlein. Dabei fehlt ihm überhaupt nichts. Und weißt du, was mein angeheirateter Idiot heute noch zu mir gesagt hat? Ich könne nicht kochen! – – – Ja, ich versuche mich zu entspannen. – – – Du, eben habe ich einen interessanten Artikel über Pilze gelesen. – – – Nee, da brauche ich keine Angst zu haben. Mit Pilzen kennt Bernd sich aus. Schließlich isst er sie ja auch. – – – Das ist eine gute Idee. Ich komme zu dir. Bis gleich. (Gundula beendet das Gespräch, steckt das Handy in ihre Tasche und zieht ihre Jacke an.)
Abgang Gundula.
1. Akt / 5. Szene
Auftritt Bernd.
Bernd stellt einen mit Pilzen gefüllten Korb auf den Tisch und beginnt, für die Zuschauer gut sichtbar, diese zu sortieren und zu putzen. Dabei brummt er ein Lied. Zwei Fliegenpilze wirft er in den Mülleimer.
Das wird ein Süppchen. (Bernd wirft die Pilze in einen Topf und stellt diesen auf den Herd. Er deckt den Tisch für sich, rührt ab und zu die Suppe um und probiert.)
Himmlisch! Langsam köcheln lassen. (Bernd steht er auf, schlurft zum Sofa. Er nimmt die aufgeschlagene Apotheken-Umschau und liest. Entsetzt lässt er die Zeitschrift sinken.) Mein Gott! Was soll ich nur tun? Günni! Günni weiß bestimmt einen Rat! (Hastig holt Bernd sein Handy aus der Tasche und tippt.) Günni! Bist du das? – – – Ich habe Pilze gegessen! – – – Ja. Aber in einem Artikel habe ich gelesen, dass Fliegenpilze Bewusstseinsstörungen und Halluzinationen hervorrufen können. Und manchmal sogar… Günni! Muss ich jetzt etwa sterben? – – – Nur ein Probierlöffelchen. – – – Was heißt, ich übertreibe? Vielleicht standen die Fliegenpilze ja nahe bei den Maronen und die haben etwas von dem Gift abbekommen? Angeblich soll ja schon eine ganz geringe Menge ausreichen, um… du weißt schon… – – – Ich glaube, ich rufe den Notarzt und lasse mir den Magen auspumpen. Sicher ist sicher. – – – Glaubst du wirklich, dass das hilft? – – – Na schön, ich folge deinem Rat und ruhe mich aus. Wenn ich nach meinem Schläfchen aufwache, melde ich mich bei dir. Wenn ich mich nicht melde, dann war das eben unser letztes Gespräch. Behalt mich in guter Erinnerung! (Bernd drückt das Gespräch weg und legt das Handy auf den Tisch. Er presst die Hände auf den Bauch und sucht nach Anzeichen für eine mögliche Vergiftung. Dann trinkt er einen Schnaps, tastet seinen Bauch ab, trinkt noch einen. Er legt sich auf das Sofa, die Hände gefaltet auf dem Bauch. Schließlich schläft er ein und schnarcht.)
Türklingel.
1. Akt / 6. Szene
Bernd hebt langsam eine Hand, betrachtet sie und lässt sie auf seinen Bauch fallen.
Bernd (Bernd ist verwundert.)
Ich bin nicht tot?
Türklingel.
Bernd hebt die andere Hand, betrachtet sie und lässt sie fallen.
Bernd
Ich bin nicht tot.
Türklingel.
Bernd
Ja doch! Ich komme. (Bernd ist empört.) Ich bin ja schließlich nicht tot! (Bernd geht zur Tür, verdeckt sie aber, so dass die Zuschauer nicht erkennen können, wer draußen steht.) Ein Einschreiben? Für meine Frau? Danke. (Bernd kommt mit dem Brief in der Hand zurück.) Wer schreibt denn meiner Ollen? (Er betrachtet den Brief von allen Seiten und öffnet ihn.)
Der ist von Gundulas Mutter. Als Einschreiben! Das muss ja etwas ganz Wichtiges sein!
1. Akt / 7. Szene
Bernd (Bernd liest den Brief laut vor. Dabei wird sein Gesichtsausdruck immer ungläubiger. Auf Stimmungswechsel/Emotionen achten, Unterschied zwischen Vorlesen des Briefes und Bernds Kommentaren)
Meine liebe Tochter! – Liebe Tochter! Dass ich nicht lache! Wenn du diese Zeilen liest, bin ich schon weit fort, und ich werde von dort nicht zurückkehren. Ich habe mich nach langen Überlegungen für diesen Weg entschieden, weil er der Einzige ist, der mich nach meinem turbulenten Leben zur Ruhe führen wird. Mein liebes Kind! Ich kann nicht verlangen, dass du meine Entscheidung verstehst. Aber ich möchte wenigstens versuchen, dir den Abschied durch eine finanzielle Zuwendung etwas zu erleichtern. (Bernd versucht sich zu beherrschen, tanzt aber plötzlich ausgelassen herum und singt.) Ding-dong, die Hex‘ ist tot! Ding-dong, die Hex‘ ist tot! (Bernd holt tief Luft, liest weiter.) Sieh mal an! Da hat der alte Schwiegerdrachen zum ersten und letzten Mal in seinem Leben etwas Vernünftiges getan. (Bernd faltet theatralisch die Hände und sieht nach oben.) Schwiegermutter! Dafür schließe ich dich in mein Nachtgebet ein. (Bernd liest den Brief weiter.) Um alles ordnungsgemäß zu regeln und zwar so, dass Bernd nichts davon erfährt… – Alter Besen! Das Nachtgebet ist gestrichen! – habe ich bei meinem Notar… (Bernd liest stumm weiter. Der Brief fällt ihm aus der Hand. Kopfschüttelnd hebt er ihn auf und sieht sich nach einem Versteck um. Schließlich schiebt er das Schreiben unter die Blumenvase auf dem Tisch.) Ganz ruhig, alter Junge! Ganz ruhig! Jetzt nur nichts Unüberlegtes tun. (Bernd läuft mit großen Schritten hin und her und überlegt laut.) Wenn nun aber Gundula… Was wäre, wenn sie nicht länger… (Bernd holt die Fliegenpilze aus dem Mülleimer und betrachtet sie. Dabei steht er mit dem Rücken zur Tür.)
1. Akt / 8. Szene
Auftritt Gundula.
Als sie Bernd mit den Pilzen in der Hand sieht, bleibt sie stehen und beobachtet ihn. Bernd wirft die Fliegenpilze in den Topf und rührt darin herum. Erst als er den Deckel auf den Topf legt, macht sich Gundula bemerkbar.
Gundula
Hier sieht es aus wie in einem Saustall.
Bernd
Ich habe gekocht.
Gundula
Das sehe ich. Ich hoffe nur, du beseitigst dieses Chaos.
Bernd
Bei mir zu Hause hat das immer meine Mutter gemacht. Ihr Frauen könnt das doch viel besser.
Gundula (Gundula ist verblüfft.)
Was hast du gesagt?
Bernd
Dass zu Hause immer meine Mutter aufgeräumt hat.
Gundula
Nein, das andere.
Bernd
Dass ihr Frauen das viel besser könnt?
Gundula
Ja, genau das. Damit hast du zum ersten Mal, seit wir uns kennen, zugegeben, dass es etwas gibt, das ich besser kann als du.
Bernd (Bernd gibt sich zerknirscht.)
Ja, das ist so.
Gundula (Gundula wird misstrauisch.)
Hast du getrunken?
Bernd
Nein. Aber ich habe nachgedacht. (Bernd faltet theatralisch die Hände.) Vorhin, in der Still des Waldes, als nicht zu hören war als das Rauschen der Bäume und der Ruf eines einsamen Vogels…
Gundula
Das ist aber romantisch.
Bernd
Lass mich ausreden!
Gundula
Ja. Du hast nachgedacht. Worüber?
Bernd
Über uns.
Gundula
Über uns? Warum?
Bernd
Weil… Ich… Es ist… Ich habe mich in letzter Zeit dir gegenüber oft wie ein A… verhalten.
Gundula
Immer!
Bernd
Was?
Gundula
Du hast dich mir gegenüber IMMER wie ein A… verhalten!
Bernd
Ja. Du hast recht. Es tut mir auch sehr leid. Ehrlich! Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät? Lass uns beim Essen über die Zukunft reden.
Gundula
Du hast für mich mitgekocht?
Bernd
Natürlich. Es ist ein Pilzsüppchen nach einem ganz besonderen Rezept.
Gundula (Gundula tut begeistert und deckt den Tisch.)
Es riecht phantastisch. Ich hoffe, es schmeckt auch so.
Bernd
Darauf kannst du Gift nehmen.
Bernd (Bernd schenkt Wein ein und erhebt sein Glas.)
Zum Wohl! Auf meine sorgenfreie Zukunft.
Gundula
Zum Wohl. (Gundula probiert von der Suppe.) Hm! (Gundula tupft sich mit der Serviette den Mund ab.) Lecker. (Sie trinkt Bernd zu.) Auf dich, Meisterkoch! (Gundula röchelt, greift sich an den Hals und fällt vom Stuhl.)
Bernd
Ups! (Bernd schleppt Gundula auf das Sofa, legt sie hin und breitet die Decke komplett über sie. Dann räumt er den Tisch ab und riecht an seinen Händen.) Widerlich!
Abgang Bernd.
Türklingel.
Bernd off
Moment!
1. Akt /9. Szene
Auftritt Bernd.
Bernd sieht sich prüfend um, weicht dem Sofa aus und öffnet die Tür.
1. Akt / 10. Szene
Auftritt Susanne. Die Frau ist optisch das ganze Gegenteil von Gundula (Kleidung, Frisur, etc.).
Susanne
Ist Gundula da?
Bernd
Nö.
Susanne (Susanne schiebt sich an Bernd vorbei in die Wohnung.)
Wo ist sie denn?
Bernd
Gundula ist… sie ist … ähm… Einkaufen! Gundula ist einkaufen.
Susanne
Einkaufen? Deine Frau hat gestern alle Lebensmittel eingekauft.
Bernd
Nicht Lebensmitteleinkäufe. Gundula ist… sie wird… ähm… Gundula will sich ein Paar Schuhe kaufen.
Susanne
Schuhe? Gundula würde niemals ohne mich Schuhe kaufen. Schließlich legt sie Wert auf meine modische Beratung. (Susanne geht zu Bernd und tippt ihm mit dem Finger an die Brust.) Ihr habt euch mal wieder gestritten!
Bernd
Wie kommst du denn darauf?
Susanne
Weil kein Tag vergeht, an dem ihr euch nicht in die Haare kriegt!
Bernd
Hat Gundula das erzählt?
Susanne
Ja. Mit irgendjemandem musste sie darüber reden. Aber wenn ich ganz ehrlich sein soll, verstehe ich nicht nur Gundula, sondern auch dich.
Bernd
Mich?
Susanne
Ja. Ich verstehe, warum du manchmal so bist wie du bist. Auch wenn deine Frau meine beste Freundin ist, so heißt das noch lange nicht, dass ich immer ihrer Meinung bin.
Bernd
Keine Ahnung, wie du das meinst. Ich weiß aber, dass ich keine Lust habe, mit dir über meine Ehe zu reden.
Susanne
Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt. Ich bin nicht nur Gundulas Freundin, sondern auch deine.
Bernd
Meinst du Freundin im Sinne von Freundschaft oder Freundin im Sinne von… Ach nee, du hast ja einen Freund. (Plötzlich fällt Bernd etwas ein.) Wie kommt es eigentlich, dass du hier bist? Wolltest du nicht mit deinem Doktor in den Urlaub fahren?
Susanne
Das wollte ich ja. Aber Gregors Frau muss etwas geahnt haben. Jetzt fährt sie mit ihm in dieses supertolle Hotel. Dabei hätte das unser Wochenende werden sollen. Schick essen gehen, Theater, Sightseeing. Von den Doktorspielen mal ganz abgesehen.
Bernd (Bernd seufzt leise.)
Oh Mann! Doktorspiele!
Susanne
Tja, das war es dann wohl mit dem Herrn Doktor. Der braucht nicht mehr zu mir gekrochen kommen, wenn seine Alte mal wieder Migräne hat. Als Single lebt es sich auch sehr gut. (Susanne sieht Bernd an und heult plötzlich los.) Single sein ist scheiße! Ich will nicht wieder allein sein!
Bernd (Bernd hat überhaupt nicht zugehört, starrt verträumt vor sich hin und seufzt.)
Doktorspiele. Was hast du gesagt?
Susanne
Dass ich hier auf Gundula warten werde. (Susanne geht zum Sofa und will sich setzen.)
Bernd
Halt! Nicht setzen!
Susanne
Was?
Bernd
Nicht setzen! Auf das Sofa, meine ich. Setz dich doch… (Bernd sieht sich suchend um.) Setz dich doch lieber auf einen Stuhl. (Er schiebt Susanne einen Stuhl unter den Po, so dass sie darauf fällt.)
Susanne (Susanne springt auf.)
Spinnst du? (Susanne geht zum Sofa.)
Bernd
Das Sofa ist kaputt!
Susanne
Ist es nicht. Wäre das Sofa kaputt, dann hätte Gundula mir das bestimmt erzählt. (Susanne ist kurz vor Sitzposition auf dem Sofa.)
Bernd (Bernd schreit.)
Nicht setzen!
Susanne
Das wird mir langsam zu blöd. Warum willst du nicht, dass ich mich auf das Sofa setze? Man könnte ja meinen, dass du eine Leiche unter der Decke versteckt hast.
Stille.
1. Akt / 11. Szene
Bernd (Bernd starrt Susanne an.)
Woher weißt du das?
Susanne
Woher weiß ich was?
Bernd
Das mit Gundula.
Susanne
Gundula? Was weiß ich von Gundula, was ich noch nicht weiß?
Bernd
Ja. Eben das.
Susanne
Was denn?
Bernd
Genau das!
Susanne
Herrje, lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.
Bernd
Gundula ist tot.
Susanne
Hör mal Bernd, über so etwas macht man keine Witze. Noch nicht einmal geschmacklose. Warum überhaupt sollte Gundula tot sein?
Bernd (Bernd sieht sich nach allen Seiten um.)
Sie ist es eben.
Susanne
Das glaube ich nicht.
Bernd
Willst du sie sehen?
Susanne
Gundula ist hier?
Bernd
Ich hatte noch keine Zeit, sie wegzuschaffen. Soll ich sie dir zeigen? (Bernd greift nach der Sofadecke.)
Susanne (Susanne hält Bernd am Arm fest.)
Warte. Sieht sie sehr tot aus?
Bernd
Nein. Eher so, als würde sie schlafen. (Bernd überlegt.) Nein, eigentlich sieht sie jetzt besser aus. Beim Schlafen hatte Gundula immer die Klappe so weit offen, dass man bis nach unten in sie reinsehen konnte. Außerdem ist sie sehr leise.
Susanne (Susanne glaubt Bernd nicht so richtig und verspottet ihn.)
Natürlich ist sie sehr leise. Weil sie nämlich tot ist. Und tote Leichen schnarchen nicht!
Bernd
Bereit?
Susanne nickt. Langsam zieht Bernd die Decke weg.
Susanne
Du hast keinen Spaß gemacht! Arme Gundula. Ich meine, sie war ja nie eine Schönheit im klassischen Sinne, aber ich finde, sie sieht jetzt viel besser aus. Irgendwie entspannt. Du, Gundula war wie eine Schwester für mich. Auch wenn wir total unterschiedlich waren. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass sie wirklich tot ist.
Bernd (Bernd ist hocherfreut.)
Ich auch nicht! (Sofort korrigiert sich Bernd und wechselt von hocherfreut zu tieftraurig.) Ich auch nicht.
Susanne
Du musst einen Arzt rufen. Schließlich muss er die Todesursache und den Todeszeitpunkt feststellen.
Bernd
Elf Uhr sechsundvierzig.
Susanne
Was?
Bernd
Gundula ist um elf Uhr sechsundvierzig vom Stuhl gefallen.
Susanne
Wieso vom Stuhl gefallen? Sie liegt doch auf dem Sofa. Bernd?
Bernd (Bernd merkt, dass er sich verraten hat.)
Ja?
Susanne
Ich denke, das musst du mir jetzt genauer erklären. Nein! Warte! Ich fasse das Ganze mal zusammen. Du warst dabei als eine Frau tot vom Stuhl – VOM STUHL! gefallen ist. Jetzt aber liegt sie auf dem Sofa. Bisher hast du noch keinen Notarzt gerufen. (Susanne starrt Bernd an, dem sichtlich immer unwohler wird.)
Bernd
Ja?
Susanne
Für mich sieht es so aus, als ob du an Gundulas Tod nicht ganz unschuldig bist.
Bernd
Es war ein Unfall.
Susanne
Du hältst mich wohl für sehr blöd?
Bernd
Nein. Nicht sehr.
Susanne
Wenn es ein Unfall war, dann ruf den Notarzt. Wenn es aber kein Unfall war, dann müssen wir uns jetzt etwas einfallen lassen.
Bernd
Wir?
Susanne
Soll ich dir helfen oder nicht?
Bernd
Ja. Aber muss denn daraus gleich ein Wir werden? Schließlich bin ich gerade mal seit ein paar Minuten Witwer.
Susanne
Und ich bin wieder Single. (Susanne macht eine wirkungsvolle Pause, ehe sie eher beiläufig weiterspricht.) Ich kann auch zur Polizei gehen.
Bernd
Mach doch! Ich bin neugierig, was du denen erzählen willst.
Susanne
Ich werde denen gar nichts erzählen. Ich werde sie lediglich fragen, was man unternehmen kann, wenn man seine beste Freundin schon länger nicht gesehen und deshalb ein komisches Gefühl hat.
Bernd
Das nennt man Erpressung.
Susanne
Na und? Das, was du getan hast, nennt man…
Bernd (Bernd schreit.)
Hör schon auf! (Leiser) Ich bin einverstanden. (Bernd geht zum Schrank und wühlt hektisch in seinen Tablettenpackungen herum.)
Susanne
Was suchst du?
Bernd
Meine Beruhigungstabletten. Und etwas für den Magen.
Susanne
Das alles brauchst du bei mir nicht mehr. Ich werde dafür sorgen, dass es dir immer gut geht und an nichts fehlt. Schließlich…
Bernd
Warum sprichst du nicht weiter?
Susanne
Weil… Es ist so…
Bernd
Ja?
Susanne
Als wir damals zusammen eingeschult wurden, habe ich mich in dich verliebt.
Bernd
Das ist Jahrzehnte her!
Susanne
Aber an meinen Gefühlen für dich hat sich bis heute nichts geändert.
Bernd (Bernd sieht Susanne verständnislos an.)
Aber du bist… du warst die beste Freundin meiner Frau.
Susanne
Ich war die beste Freundin deiner Frau nur, um unauffällig in deiner Nähe sein zu können.
Bernd
Susanne?
Susanne
Glaubst du wirklich, dass es mich jemals interessiert hat, was Gundula eingekauft oder gekocht hat oder wie hoch euer Klopapierverbrauch in einer Woche war? Dieser ganze spießige Hausfrauenkram hat mich nie im Geringsten interessiert.
Bernd
Aber Gundula hat doch sicher nicht nur über ihren Haushalt erzählt, sondern auch über mich?
Susanne
Natürlich. Aber das möchte ich hier lieber nicht wiederholen. Dafür habe ich immer öfter festgestellt, dass du eine Frau brauchst, die dich so sein lässt, wie du bist.
Bernd schluckt und kämpft mit den Tränen.
Susanne
Eine Frau, die mit dir fühlt. Eine Frau, die dich bedauert. Eine Frau, die dich pflegt, auch wenn du nur einen Schnupfen hast.
Bernd (Bernd wischt sich die Tränen ab.)
Das hast du sehr schön gesagt. Weißt du, auch ich habe immer gespürt, dass da etwas zwischen uns ist, aber ich habe mich nie getraut, es einzugestehen. Schließlich wollte ich deine Freundschaft mit Gundula nicht zerstören und dich dadurch verlieren.
Bernd und Susanne umarmen sich.
Bernd (Bernd zeigt auf das Sofa.)
Aber was machen wir jetzt mit Gundula?
Susanne (Susanne sieht sich suchend um. Schließlich rollte sie den Schreibtischstuhl neben das Sofa.)
Hilf mir mal!
Bernd
Was hast du vor?
Susanne
Wir schieben Gundula erst einmal in die Abstellkammer. Und kommende Nacht schaffen wir sie weg. Niemand wird sie finden.
Bernd
Gundula kann nicht so einfach verschwinden. Das glaubt mir niemand.
Susanne
Sie hat dich verlassen, weil du sie nie nett behandelt hast. Das glaubt dir jeder.
Bernd
Dein Plan ist nicht schlecht. Aber…
Susanne
Hör auf zu jammern und hilf mir!
Gemeinsam zerren sie Gundula vom Sofa hoch, setzen sie auf den Stuhl und werfen die Decke über sie. Bernd rollt den Stuhl zur Tür. Susanne steht Schmiere. Bernd kommt aus der Abstellkammer und schließt vorsichtig die Tür.
Bernd
Was machen wir jetzt?
Susanne
Wir fahren zu mir, meine Sachen holen.
Bernd
Was für Sachen?
Susanne
Kleider, Schuhe, Kosmetik.
Bernd
Willst du etwa hier einziehen?
Susanne
Was dachtest du denn?
Bernd
Davon war aber nie die Rede.
Susanne (Susanne gibt scheinbar nach.)
Dann eben nicht. (Susanne nimmt ihre Tasche und geht zur Tür.)
Bernd
Wohin gehst du?
Susanne
In die… Straße. (Hier die Adresse der Polizei des Spielortes nennen.)
Bernd
Das ist nicht dein Ernst. Du kannst nicht zur Polizei gehen.
Susanne
Kann ich wohl.
Bernd
Kannst du nicht.
Susanne
Und warum nicht?
Bernd (Bernd gibt sich geschlagen.)
Weil wir jetzt zu dir fahren und deine Sachen holen.
Susanne
Braver Junge!
Bernd lässt Susanne den Vortritt. Hinter ihrem Rücken sieht er rasch in die Abstellkammer und nickt zufrieden.
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