1. Akt / 1. Szene
Empfangsdame Melissa-Hilde und Hausmeister Heinz-Michael stehen am Schreibtisch und turteln heftig miteinander.
Heinz-Michael
Sag mal, ist die Hochzeitssuite frei?
Melissa-Hilde
Ja.
Heinz-Michael
Was hältst du davon, wenn wir nach oben gehen und Hochzeitsnacht spielen?
Melissa-Hilde
Geht leider nicht. Ich muss hierbleiben.
Heinz-Michael
Aber das Hotel ist leer bis auf uns.
Melissa-Hilde
Wir haben heute acht Anreisen.
Heinz-Michael
Acht Anreisen? Auf einmal?
Melissa-Hilde
Zum Glück nicht. Noch einen Saunaklub, der Junggesellinnenabschied feiert, verkraftet das Hotel nicht.
Heinz-Michael
Die letzten Schäden habe ich erst gestern beseitigt. (Heinz-Michael holt tief Luft und seufzt resigniert.) Dann sehe ich nach, ob die Zimmer in Ordnung sind. (Heinz-Michael wirft Melissa eine Kusshand zu.) Bis später.
Melissa-Hilde
Bis später.
Abgang Heinz-Michael.
Melissa-Hilde tippt auf der Computertastatur herum.
1. Akt / 2. Szene
Auftritt Holger „Holly“ undFriedrich „Freddy“.
Freddy
Ja, und am Sonntag von ich dann mit der Schwester von Illy ausgegangen. Und nicht nur ausgegangen. – Wenn du verstehst, was ich meine.
Holly
Casanova war gegen dich wirklich eine Schlaftablette.
Freddy
Ist ja nicht meine Schuld, wenn mir die Weiber einfach nicht widerstehen können.
Inzwischen haben sie den Schreibtisch erreicht. Sofort beginnt Freddy mit Melissa-Hilde zu flirten.
Freddy
Guten Tag, schönes Kind. Wenn der Empfang schon so bezaubernd ist, dann werde ich mich hier wie im Paradies fühlen.
Melissa-Hilde (Melissa-Hilde reagiert professionell und kühl.)
Guten Tag und herzlich willkommen im Hotel Waldeslust.
Holly
Tach!
Melissa-Hilde
Darf ich um Ihre Namen bitten?
Freddy
Nennen Sie mich, wie Sie wollen.
Holly
Wie wäre es mit Idiot?
Freddy
Ich höre auf jeden Namen und jedes Wort von Ihnen. Ich bin Ihnen sozusagen hörig: Hahaha!
Holly
Friedrich Meier und Holger Müller.
Melissa-Hilde
Ein Doppelzimmer. Erste Etage.
Freddy (zu Holly)
Sag mal, würde es dir etwas ausmachen, kommende Nacht woanders zu schlafen? Ich glaube, Frau… (Holly beugt sich vor, vermeintlich, um das Namensschild an Melissas Bluse zu lesen) Melissa – Melissa! Ein Name wie eine Symphonie; wie eine Komposition aus dunkelroten Rosen – Melissa möchte mir sicher etwas über die Geschichte dieses zauberhaften Hotels erzählen.
Holly (Holly reagiert verärgert.)
Möchte sie nicht! Komm jetzt! Ich muss aufs Klo. (Holly zieht Freddy hinter sich her.)
Freddy (Freddy wirft Melissa-Hilde eine Kusshand zu.)
Bis später.
Abgang Holly und Freddy.
Melissa-Hilde
Ab morgen bin ich krank.
1. Akt / 3. Szene
Auftritt Georg.
Melissa-Hilde ist beschäftigt und bemerkt ihn nicht. Wütend schlägt Georg mehrmals auf die Klingel auf dem Tisch.
Melissa-Hilde
Oh, Entschuldigung. Ich habe Sie gar nicht bemerkt.
Georg
Das habe ich GE-merkt! Wenn Sie keine Lust auf den Job am Empfang haben, sollten Sie vielleicht als Zimmermädchen arbeiten. Oder noch besser irgendwo am Fließband, wo Sie keine Gäste oder Kunden übersehen oder nicht BE-merken können.
Melissa-Hilde
Sie haben reserviert?
Georg
Nein. Das haben meine Freunde für mich getan. Ich käme nie auf den Gedanken, ein Zimmer in solch einer Absteige zu buchen.
Melissa-Hilde (Melissa-Hilde bleibt freundlich und gelassen.)
Darf ich um Ihren Namen bitten?
Georg
Schnickenbömmler. Georg Schnickenbömmler. Sind die Herren Müller und Meier schon eingetroffen?
Melissa
Ja. Dick und Do… Die Herren Müller und Meier haben bereits eingecheckt und sind auf ihrem Zimmer. (Melissa-Hilde schiebt Georg einen Schlüssel zu.) Sie haben das Doppelzimmer direkt neben Ihren Freunden.
Georg
Ein Doppelzimmer?
Melissa-Hilde
Selbstverständlich als Upgrade auf ein Einzelzimmer.
Georg
Zum Einzelzimmerpreis?
Melissa-Hilde
Natürlich. Als Upgrade…
Georg
Denken Sie, ich weiß nicht, was ein Upgrade ist? Ich wollte mich über den Preis nur noch einmal vergewissern. Kann jemand meine Tasche rauftragen?
Melissa-Hilde
Natürlich. Heinz-Michael! Heinz-Michael!
1. Akt / 4. Szene
Auftritt Heinz-Michael.
Melissa-Hilde
Bring bitte die Tasche von Herrn Schnickenbömmler in das Doppelzimmer.
Heinz-Michael
Schnicken…was? Aber natürlich. Sehr gern. Bitte folgen Sie mir, Herrn Schlickendömmler.
Georg
Schnickenbömmler!
Heinz-Michael
Ja, da kann nun wirklich niemand was für!
Abgang Heinz-Michael und Georg.
Melissa-Hilde
Was habe ich denn nur Böses gemacht, dass ich mit solchen Gästen bestraft werde? Und der Tag hat erst angefangen!
1. Akt / 5. Szene
Auftritt Heinz-Michael.
Heinz-Michael
Heißt der wirklich so lustig?
Melissa-Hilde
Ja. Stell dir mal vor, wenn der und seine Freunde sich vorstellen: Müller, Meier, Schnickenbömmler.
Beide brechen in albernes Gelächter aus.
Melissa-Hilde
MMS.
Heinz-Michael
Manche mögen’s scharf.
Melissa-Hilde
Oder schmalzig. Du, wenn mir der Meier noch mal blöd kommt, hau ich ihm auf die Finger.
Heinz-Michael
Lass mich das machen. Meine Susi ist für einen Spaß immer zu haben. (Zur Bekräftigung holt Heinz-Michael eine Rohrzange aus seiner Tasche und hält sie hoch.). So, jetzt muss ich aber wieder an die Arbeit.
Abgang Heinz-Michael.
1. Akt / 6. Szene
Auftritt Georg, Freddy und Holly.
Melissa-Hilde ist im Hintergrund beschäftigt.
Georg
Kann mir endlich mal einer von euch verraten, warum ihr mich in diese Räuberhöhle gelockt habt?
Holly
Überraschung!
Georg
Überraschung? Wehe, es ist nichts Anständiges!
Freddy
Garantiert ist es nicht nichts Anständiges.
Georg
Ihr wisst, dass ich meine Frau nur im äußersten Notfall belüge.
Freddy
Wissen wir. Dein blaues Auge, das sie die nach der Ausrede mit dem Magen-Darm-Virus verpasst hat, war wochenlang der Beweis dafür, wer bei euch zu Hause die Hosen anhat.
Georg
Ich hatte wirklich keine Lust, Susanne zu ihrem Klassentreffen zu begleiten.
Holly
Aber es ist doch schön, alte Freunde wiederzutreffen und in Erinnerungen zu kramen.
Georg
Meine Frage ist immer noch nicht beantwortet.
Freddy
Ich finde, du tust uns als deinen ältesten, besten und mittlerweile noch einzigen Freunden Unrecht. Wir haben dich nicht hierhergelockt, wir haben dich eingeladen. Zu einem hoffentlich unvergesslichen Wochenende.
Holly
Schließlich wirst auch du nur einmal im Leben fünfzig.
Freddy
Hoffentlich hast du diesmal eine Ausrede, mit der du verletzungsfrei davonkommst.
Georg
Ich habe Susanne erzählt, dass ich zu einer Weiterbildung muss, weil die Umsätze in der Firma so schlecht sind. Aber warum ausgerechnet dieses Hotel?
Freddy
Weil es so schön abgelegen ist. Schließlich wollen wir an deinem Geburtstag mal so richtig den Mops föhnen. (Freddy und Holly singen.) Heute wird der Mops geföhnt, Mops geföhnt, Mops geföhnt. Heute wird der Mops geföhnt und…
Holly
… nichts ausgelassen.
Freddy
Schorsch verwöhnt! Verwöhnt! Mensch, es muss sich doch reimen auf geföhnt. (Freddy und Holly singen.) Heute wird der Mops geföhnt, Mops geföhnt, Mops geföhnt. Heute wird der Mops geföhnt und Schorsch verwöhnt!
Georg
Ich gebe es zwar nicht gern zu, aber inzwischen finde ich die Idee mit der Überraschung gar nicht mehr so schlecht.
Freddy
Auf uns kannst du dich eben immer verlassen.
Holly
Können wir jetzt essen gehen? Mein Arzt hat gesagt, ich soll auf regelmäßige Mahlzeiten achten.
Freddy
Ich habe im Prospekt gelesen, dass das Hotelrestaurant gutbürgerliche Küche anbietet.
Georg
Das klingt nach zu Hause. Anschließend lade ich euch in die Bar ein.
Holly
Aber erst nach dem Verdauungsspaziergang und dem Verdauungsschläfchen.
Georg
Meinetwegen.
Freddy
Wir haben das ganze Wochenende vor uns und viel Zeit.
Abgang Georg, Holly und Freddy.
1. Akt / 7. Szene
Auftritt Dr. Karl Fleckensteiner.
Der Arzt ist zerstreut und charmant-trottelig.
Dr. Fleckensteiner
Mein Name ist Fleckensteiner. Karl Fleckensteiner. Doktor Karl Fleckensteiner. Ich nehme am Ärztekongress teil.
Melissa-Hilde
Guten Tag. Bitte, was sagten Sie?
Dr. Fleckensteiner
Sie sollten sich dringend auf Schwerhörigkeit untersuchen lassen. (Dr. Fleckensteiner brüllt.) Ich! Nehme! Am! Ärztekongress! Teil!
Melissa-Hilde
Sie brauchen nicht zu schreien. Ich habe Sie schon beim ersten Mal verstanden. Aber der Ärztekongress fand bereits letzte Woche statt.
Dr. Fleckensteiner
Das kann nicht sein. (Dr. Fleckensteiner zieht einen Kalender aus der Tasche und hält ihn Melissa unter die Nase.) Sehen Sie: Ärztekongress Hotel Waldeslust. Das ist doch hier?
Melissa-Hilde
Ja, das ist richtig. Und der Ärztekongress hat auch stattgefunden. Allerdings am letzten Wochenende.
Dr. Fleckensteiner
Sie irren sich, meine Liebe! Mein Kalendereintrag stimmt. Ich irre mich nämlich nie!
Melissa-Hilde
Verzeihung, Herr Doktor Fleckensteiner, sehen Sie hier irgendwo einen Arzt oder eine Ärztin?
Dr. Fleckensteiner
Nein. Aber das liegt nur daran, dass ich immer so überpünktlich bin. Bis zum Beginn des ersten Vortrags über neue Methoden der Pickeltransplantation ist noch eine Menge Zeit. Der beginnt erst am späten Nachmittag.
Melissa-Hilde
Dieser Vortrag hat letzte Woche stattgefunden!
Dr. Fleckensteiner
Waren Sie dabei? Sie sind doch gar nicht vom Fach.
Melissa-Hilde
Nein, ich war nicht dabei. Aber dieser Vortrag hat im Rahmen des Ärztekongresses stattgefunden. Das ist doch nur logisch, oder?
1. Akt / 8. Szene
Auftritt Heinz-Michael.
Er hat nur Augen für Melissa-Hilde und bemerkt Dr. Fleckensteiner nicht.
Heinz-Michael
Alles klar bei dir?
Melissa-Hilde
Gut, dass du kommst. Was war letztes Wochenende hier los?
Heinz-Michael
Botox-Treffen. Das, was beim Autorennen die Boxenluder sind, waren hier die Botox-Luder.
Melissa-Hilde bedeutet ihm hastig, den Mund zu halten. Heinz-Michael versteht nicht genau, was Melissa-Hilde von ihm will, starrt sie an und spricht langsam weiter.
Heinz-Michael
Es war sicher ein sehr interessantes Wochenende… ähm… für alle Teilnehmer des Kongresses und …. ähm… ihre auf jugendlich gestylten … ähm… ihre bezaubernden Gattinnen. (Heinz-Michael hat gefangen und spricht ganz normal weiter.) So ein Ärztekongress ist immer ein besonderes Ereignis. Und ein Kongress von Schönheitschirurgen ist nicht nur ein besonderes Ereignis, sondern ein schönes noch dazu. Im wahrsten Sinne.
Melissa-Hilde
Da hören Sie es selbst, Herr Doktor Fleckensteiner. Sie sind genau eine Woche zu spät.
Dr. Fleckensteiner
Aber was soll ich jetzt machen? Ich bin stundenlang mit dem Zug gefahren, habe jede Menge Verspätungen, schreiende Kinder und alles-besser-wissende Senioren ertragen müssen. Soll das alles wirklich umsonst gewesen sein?
Melissa-Hilde
Wie wäre es, wenn Sie sich ein schönes Wochenende hier im Hotel gönnen? Lassen Sie sich von unserem Küchenchef verwöhnen, genießen Sie die leckeren Cocktails in der Bar…
Heinz-Michael
Oh ja, die sind wirklich gut!
Melissa-Hilde
… und entspannen Sie einfach ein paar Tage von Ihrem Alltagsstress.
Dr. Fleckensteiner
Mein liebes Kind, ich bin seit über zehn Jahren im Ruhestand.
Heinz-Michael
Das sieht man Ihnen aber gar nicht an. Na ja, sind sitzen ja auch an der Quelle. Sozusagen an der Botox-Quelle.
Melissa-Hilde
Bitte nehmen Sie Platz. Ich will nachsehen, ob unser schönstes Zimmer frei ist.
Heinz-Michael
Du meinst die Präsidentensuite?
Dr. Fleckensteiner
Sie haben eine Präsidentensuite? Alle Achtung!
Heinz-Michael
Ja. Da hast immer der Präsident des Dackelklubs drin gepennt, bis er letztes Jahr bei einer Treibjagd mit einer Wildsau verwechselt wurde.
Dr. Fleckensteiner
Ich hoffe, das ist kein schlechtes Zeichen.
Melissa-Hilde
Natürlich nicht. Ein Mann wie Sie ist doch nicht abergläubisch.
Dr. Fleckensteiner
Auf gar keinen Fall! Ich nehme das Zimmer.
Heinz-Michael
Die Präsidentensuite! Ich richte sie für Sie her.
Abgang Heinz-Michael.
Dr. Fleckensteiner setzt sich und blättert in einer Zeitschrift.
Melissa-Hilde tippt auf der Computertastatur herum.